Nicht nur Illerbeuren hat bei Freilichtspielen eine lange Tradition: Im berühmten Wallfahrtsort Maria Steinbach wurde bereits vor 73 Jahren – ab 9. Juli 1950 – unter Einbeziehung der gesamten Bevölkerung die romantische Tragödie „Die Jungfrau von Orleans“ aufgeführt. Hier allerdings mit anderen Vorzeichen: eine vom Hirschwirt inszenierte, höchstspektakuläre „Marien-Erscheinung“ konnte zum Schluss die dramatische Pleite des Veranstalters nicht verhindern. Mit dabei waren damals als „Ministrant“ und „Engele“ Josef und Theresia Schädle: Die beiden – damals in der achten und vierten Klasse – erzählten, wie das historische Festspiel damals ablief.
Unter den etwa 200 Mitwirkenden waren etwa 80 Reiter aus der damals noch eigenständigen Gemeinde und natürlich zahlreiche Bürger: Unter ihnen auch „Hoch zu Ross“ Theresias Vater, Adelbert Witzigmann. Die Hauptrollen besetzte Oberspielleiter Erich Schmidt jedoch mit Schauspielern vom Landestheater Memmingen. Ort des Spektakels war der Talweg, wo zu Füßen der Wallfahrtskirche auf der östlichen Anhöhe rund 2.500 Sitz- und unzählige Stehplätze geschaffen wurden. Auf der westlichen Anhöhe wurden die Festspiele inszeniert: Aus Holz wurde eine acht Meter hohe Kathedrale gezimmert, wo auf einer 30 mal 15 Meter großen Bühne die Krönung und zum Schluss das Sterben der Jungfrau von Orleans inszeniert wurde.
Gespielt wurde das von Friedrich Schiller verfasste Stück jeden Freitag und Sonntag, nachdem zuvor jeweils mit der Musikkapelle ein Festzug zum Aufführungsort stattfand: Das eindrucksvolle Bühnenbild schuf Kunstmaler Gustav Oeler. Die Kostüme für die Hauptdarsteller und die Mitwirkenden der Massenszenen stammten aus dem Atelier Diringer/München. Die Titelrolle der „Jungfrau von Orleans“ wurde von Liselotte Full, die des „König Karl VII“ wurde von Hannes Andersen übernommen. Ganz oben, auf der Anhöhe, wurden die Schlacht- und Massenszenen zwischen Franzosen und Engländern dargestellt und das Schlacht-Getöse mit gewaltigen Lautsprechern zur Tribüne übertragen: Orleans leistete als letzte Stadt erbitterten Widerstand beim Krieg zwischen Frankreich und England. Die damals erst 15-jährige Jeanne d´Arc aus Domremy, unweit des lothringischen Städtchens Vaucouleurs, kam an den Königshof, erkannte aus der Menge den noch nie gesehenen König und sprach knieend zu ihm: „Ich heiße Johanna – die Jungfrau – und ich bin von Gott gesendet, um Euch und Euer Königsreich zu retten!“ Mit einer Fahne mit dem Bildnis der Muttergottes erstürmte sie an der Spitze der französischen Truppen Orleans.
Als die Heilige schließlich die Eroberung Paris´ plante, wurde Johanna bei einem Gefecht bei Compiegne von den Engländern gefangengenommen und als Ketzerin verbrannt: Für dieses Spektakel übernahm der Hirsch-Wirt, Karl Erdt, die alleinige Verantwortung: „Mit immens viel Unternehmergeist, aber ohne einen Pfennig Geld“, wie es der damalige Lehrer Eplem niedergeschrieben hatte. Die Gemeinde hatte eine Mitfinanzierung des Spektakels „wohlweislich abgelehnt“. Das Grundstück wurde von Landwirt Kolb auf zehn Jahre gepachtet; so lange sollte nämlich gespielt werden.
Die Zuschauertribüne und die beeindruckende Kulisse vor der großen Bühne kosteten viel Geld. Die Berufsschauspieler mussten bezahlt werden und auch die Laiendarsteller sollten mit einem „Trinkgeld“ entlohnt werden. Der Gastwirt wollte das Freilichtspiel auf Jahre hinaus fortsetzen und suchte sich vermeintlich „finanziell-kräftigere Unternehmer“: Ein Trio, bestehend aus Kaufmann/Buxheim, Rohmer/Memmingen und Frau Dietrich, die Betreiberin der Bahnhofsrestauration Steinbach, sollte ihm nun aus der Patsche helfen: Leider hatten aber alle kein Geld, nur hohe Schulden! In der Hoffnung auf „Riesengewinne ohne eigene Finanzen“ beteiligten sie sich an dem Unternehmen. Doch der erwartete Massenansturm von Menschen, die den Wallfahrtsort den ganzen Sommer lange „überfluten“ sollten, blieb aus: Nur einmal, am Maria Himmelfahrt, waren die Zuschauertribünen mit etwa 1.800 Zuschauern besetzt. Die geplanten Sonderzüge aus Norddeutschland blieben aus, und damit auch die Unmengen speisender Gäste für den Hirschwirt. Insgesamt konnten nur etwa 14.000 „Billete“ verkauft werden. Die Kostüm-Leihgebühren in Höhe von 8.000 Mark, das Baumaterial (5.000 Mark) sowie die Schauspieler blieben laut dem Chronisten unbezahlt.
Gastwirt Erdt wollte das finanzielle Debakel mit einer spektakulären „Marien-Erscheinung“ retten, indem er nachts auf dem Heimweg mit „wehenden Gewändern“ einer Gruppe von jungen Sängerinnen nach der Kirchenchorprobe „erschien“. Bei seinem zweiten, ähnlich spektakulären Auftritt wurde er allerdings von begleitenden Burschen erkannt und floh fluchtartig. Damit war seine finanzielle „Pleite“, und auch die seiner drei Mitstreiter, besiegelt: Im Frühjahr 1951 wurde die Bühne abgebrochen und die nicht bezahlten Bretter der Bühne vom Sägewerksbesitzer wieder abgeholt. Gastwirt Erdt wurde in Maria Steinbach nach der Versteigerung seiner Gaststätte allerdings nie mehr gesehen.
Johanna von Orléans
Der Legende nach wurde sie als Jeanne d´Arc, am 6. Januar 1412, in Domrémy/Frankreich als Tocher eines wohlhabenden Bauern geboren. Zu dieser Zeit tobte der Hundertjährige Krieg, wo England versuchte, Frankreich zu besetzen. Gerichtsprotokollen zufolge hatte die junge Frau im zarten Alter von 13 Jahren erste Visionen: Hier befahlen ihr Heilige, ihr Land zu befreien. Am 29. April 1429 ließ man sie in einer Ritterrüstung nach Orleans ziehen und die Engländer aus dem südlichen Teil des Landes vertreiben. Dies machte sie übermütig und bei ihrem Versuch, Paris zu befreien wurde sie von englischen Soldaten verhaftet und am 30. Mai 1431 mit nur 19 Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das heldenhafte Bauernmädchen wurde 1920 von der Katholischen Kirche Heilig gesprochen.
(Text: fk)
Du hast ein Event von dem du bereichten willst? Du willst etwas aus oder für den Illerwinkel vorstellen? Du hast eine eigene Meinung und willst sie zu einem Thema zum Illerwinkel mitteilen... dann schick' uns 'ne Mail. Wir freuen uns auf eure Beiträge, die den Illerwinkel bunter und lebendiger werden lassen. Also haut rein in die Tasten...
Mach mit...