3.9.2025

50. Schnitthahnenfest

Eine Reise durch vergangene Jahrzehnte

Auch dieses Jahr ist es am dritten Septemberwochenende wieder soweit: das Schnitthahnenfest der Musikkapelle Maria Steinbach im Feststadel in Höf steht wieder an – zum 50. Mal! Für viele, nicht nur für die Musikerinnen und Musiker derMusikkapelle Maria Steinbach, ist das dritte Wochenende imSeptember ein fester Bestandteil im Jahreskalender, doch nur wenige wissen genau, was es mit diesem traditionsreichen Ereignis genau auf sich hat und was die Menschen vor über 50 Jahren bewegt hat, ein solches Fest zu initiieren. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, gehen wir etwas weiter zurück in der Historie, um zunächst den Namen Schnitthahnenfest erläutern zu können. Wir reisen in eine frühere Zeit. Eine Zeit, in welcher Maschinen zur Erleichterung derArbeiten entweder noch nicht erfunden, ausgereift bzw. nicht für jedermann erschwinglich waren. Angelehnt an die kirchlichen Feiertage nahm das Jahr für Bauern, Knechte und Mägde seinen normalen Verlauf. So war Erntedank ein hoher Festtag, da hier die Haupternte eingebracht war und es langsam, aber sicher in die etwas ruhigeren Wintermonate überging. DasSchnitthahnenfest in Maria Steinbach war früher das Erntedankfest der Knechte und Mädge der einheimischen Bauern. Umgangssprachlich wurde es auch „Schnittafest“ genannt.

Vor allem im Unterallgäu gab es früher sehr viel Korn. Die Erntezeit begann einige Wochen früher als heute, nämlich schon Anfang Juli, denn das Getreide durfte nicht zu reif sein, sonst fiel das Korn aus den Ähren. Früher wurde dieses Korn vor allem mit Sicheln und Sensen meist schon ganz früh am Morgen gemäht. Nach dem Mähen, das den Männern vorbehalten war, kam das sogenannte „Ausbackln“, die typische Arbeit der Frauen. Dies bezeichnet das Aufsammeln der gemähten Halme und das anschließende Binden zu Garben, sogenannte Bündel aus Ähren. Diese Garben wurden dann zu „Getreidemännla“auf dem Feld zusammengestellt, die vor allem in der Erntezeit das Bild des Unterallgäus prägten. Bei diesen harten Arbeiten bei Sommerhitze waren Knechte und Mägde unerlässlich. Diese lebten das ganze Jahr im Bauernhaus und waren entweder für den Stall oder das Haus zuständig. Meist noch sehr jung und weit entfernt von ihren Familien, war das Leben für sie nicht leicht und so war das für sie ausgerichtete Erntedankfest ein besonderer Tag im ganzen Jahr. Außerdem waren ausgelassene Feste mit Tänzen und Blasmusik eine Rarität, vor allem bei den Bauern auf dem Land, die immer hart arbeiten mussten. Deshalb waren solche Feste wie das Schnitthahnenfest sehr beliebt.

In der Wirtschaft Hirsch, im Ortskern von Maria Steinbach, wurde der sogenannte Schnitthahnentanz aufgeführt. Der reichste Bauer im Ort spendierte einen Hahn, bei uns auch„Gockel“ genannt. Dieser wurde unter allen Knechten ausgetanzt,das heißt, in der Mitte der Tanzfläche lag der große Hahn, und alle Knechte tanzten um ihn herum. Am Schluss wurde der beste Tänzer unter ihnen mit dem Hahn geehrt. Dabei darf man sich den Gockel nicht wie heute üblich als kleines Hähnchen vorstellen, sondern als 3-4 Kilo Geflügel, das früher viel wert gewesen war. Da es Fleisch meist nur am Sonntag gab, und dies eine Besonderheit in der ganzen harten Arbeitswoche darstellte, war so ein „Schnitta-Hahn“ am „Schnittafest“ eine sehr kostbare und wertgeschätzte Auszeichnung. Auch wurden die Knechte und Mägde an diesem Fest von ihren Bauern ausgezahlt und der Festabend ging auf die Kosten der Bauern. In der Steinbacher Wirtschaft „Hirsch“ spielte zum Schnitthahnenfestimmer eine Blechmusik. Früher gab es keine richtige Tanzmusik, deshalb wurde die eigene Kapelle herangerufen.Diese bestand damals nur aus Männern, denn für Frauen wurde der Weg in die Musikkapelle erst ab Anfang der 1970er frei. Das Schnitthahnenfest verschwand im Hirsch dann in den 1950er Jahren und wurde in der ursprünglichen Form nicht mehr abgehalten. Wohl auch weil in den 1950er Jahren immer weniger Mägde und Knechte auf den Höfen waren, da nach und nach die Technologisierung wie beispielsweise die Melkmaschine, Bindemäher und Mähdrescher Einzug hielt.

1972 wurde in Kaltbronn die neu restaurierte Marienstatue eingeweiht. Diese feierliche Zeremonie wurde von der Musikkapelle Maria Steinbach musikalisch begleitet. Als die Musikantenden Abend gemütlich ausklingen wollten, nutzten sie denS tadel der Familie Krug in Kaltbronn. Bei geselligem Zusammensein beschloss der damalige Vorstand Franz Berchtold sen. und seine Mitstreiter, wieder ein Musikantenfest auf die Beine zu stellen und man kam zu dem Entschluss, in diesem urigenStadel in Kaltbronn ein alljährliches Fest mit Tanz und Blasmusik zu veranstalten - so wie früher bei den Knechten und Mägden im Hirsch. Dieses Vorhaben wurde nicht von allen Musikern befürwortet, da Stimmungsmusik in dieser Zeit nicht von allen Musikern geschätzt wurde. Jedoch setzte sich der Großteil der Musiker durch und man hielt am gesetzten Zielfest. Als man einen Namensgeber suchte, griff man auf das bereits fast in Vergessenheit geratene Schnitthahnenfest zurück, da einige Musikanten dieses Fest in sehr guter Erinnerung hatten. Auch wollte man den Brauch des Erntedankfestes fortsetzenund aufrechterhalten. Auch war der Zeitpunkt für das Abhalten eines solchen Festes von Vorteil, denn die meisten Musikvereine in der Umgebung feierten ein Garten- oder ein Sommerfest, das des Öfteren buchstäblich ins Wasser fiel. Unabhängig vom Wetter konnte im Gegensatz zu den Sommerfesten unter freiem Himmel auch Mitte September im gemütlichen Stadel gefeiert werden. In den Anfängen des Festes feierte man nur im kleinen Kreis, die Bewirtung übernahmen die Musiker und ihre Angehörigen. Den Stadel stellte Familie Krug ohne den Wunsch einer Gegenleistung zur Verfügung. Unter Vorstand Hermann Breher wurde das Schnitthahnenfest stets optimiert und immer wieder Neuheiten mit eingebracht, um den Gästen jedes Jahr aufs Neue eine unvergessliche Zeit im Stadel zu ermöglichen. Die Kaltbronner Frauen waren für die Dekoration des Stadels zuständig. Da sie damals auch die Marienstatue feierlich geschmückt hatten, stand auch nur ihnen das Recht zu, den Stadelzu schmücken. Dabei machte man dem Namen des Schnitthahnenfests alle Ehre, denn an den Wänden hingen vor allem Erntegeräte zum Mähen der Ähren wie Sicheln oder Handsensen. Besonders urig wurde der Stadel durch alte Milchkannen, die mit Sonnenblumen gefüllt wurden und Zweigen von Nadelbäumen, wie auch Fichtenzapfen, die für den ganz besonderen Geruch sorgten. Auch große Kuhglocken, die für die zahlreichen Kühe in der Region stehen, aufwendige Blumengebinde, und verschiedene Getreidesorten prägten das Bild des Stadels und verweisen auf den alten Brauch des Erntedankfestes.

Ein weiteres Merkmal stellte die Schmückung des Innenraums dar, der mit großen Ästen und Zweigen komplett an den Decken und Wänden bedeckt war, sodass man sich wie im Wald fühlte. Alte Wagenräder, grobe Futtertröge, Kränze mit Geranien und Sonnenblumen sorgten zudem für den rustikalen Flair. Bewundernswert war zudem das große Engagement der Kaltbronner Frauen. Nachdem der Stadel für den Samstagabend feierlich und in feinster Präzision geschmückt war, wurde dieser Schmuck schon früh am Sonntagmorgen wieder abgehängt und neue Dekoration angebracht. Dies war mit großem Aufwand verbunden, doch die Frauen wollten es sich nicht nehmen lassen und waren sehr stolz auf diesen Stadel, der auch in der Umgebung für sein außergewöhnliches Ambiente bekannt war. Ein besonderer Hingucker ist ferner der große Ast, der in seiner natürlichen Form mit einigen Blumengebinden jedes Jahr über dem Platz des Dirigenten hängt. Den genauen Grund für dieses Ritual kennt man nicht, mit den Blumen wird aber wahrscheinlich dem Dirigenten eine besondere Ehre zu Teil. Das Besondere am Schnitthahnenfest ist bis heute das weit über die Maria Steinbacher Grenzen hinaus bekannte Kesselfleisch. Jedes Jahr am Sonntag wird diese regionale Spezialität, die aus dem Bauch des Schweines besteht, an die zahlreichen Frühschoppenbesucher ausgegeben.

Fortsetzung mit Teil 2 erscheint nächste Woche im KA 37/2025 und hier im Treffpunkt-Illerwinkel-Magazin

Text: Magdalena Miller
Bild: Archiv der MK Maria Steinbach

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